Raneem in der Mitte ihrer Brüder Mayas (links,23 Jahre) und Omar (rechts,26 Jahre). Sie ist Teilnehmerin bei einer Diskussiongruppe von CARE in Jordanien und setzt sich für die Ausbildung junger Frauen ein. (Foto:CARE/Mary Kate MacIsaac)

Liebe Mädchen, wartet nicht auf Krieg, um eure Stärken zu entdecken!

Raneem kommt ursprünglich aus Daraa in Syrien und lebt mittlerweile in Jordanien. Sie sprach mit Mary Kate Maclsaac, Kommunikationskoordinatorin für CAREs Syrienhilfe

Raneem Alhomsi ist 16 Jahre alt und Teilnehmerin einer Diskussionsgruppe von CARE in Jordanien. Das Projekt soll junge Syrer und Jordanier zusammenbringen, damit sie ihre Erfahrungen miteinander teilen, ihre Kommunikationsfähigkeiten ausbauen und die soziale Verbindung unter den Gemeinschaften stärken können.

Auch vor dem Ausbruch des Krieges war das Leben für Mädchen in Syrien nicht einfach. Aber wir haben uns sicher und beschützt gefühlt. Unsere Eltern suchten uns Schulen in der Nähe unserer Häuser. Ich musste nur zehn Minuten laufen. Für mich war es normal, den kurzen Weg alleine zu gehen. Hier, also in Jordanien, können die meisten syrischen Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Manche Familien haben Angst, ihre Töchter die langen Wege durch das fremde Land gehenzulassen. Für andere Familie, wie meine, ist die Schule zu teuer.  Ich hatte immer sehr gute Noten, aber nun haben wir kein Geld mehr für Bücher oder Uniformen. Wir brauchen alles was wir haben für die Miete, Strom und etwas zu essen.

Die letzten zwei Jahre habe ich noch ein Stipendium hier in Jordanien bekommen. Dieses Jahr nicht mehr. Mein Vater hat alles versucht, um mir zu helfen. Er hat alle Wohltätigkeitsorganisationen nach einem Stipendium für mich gefragt. Wenn ich aber an Mädchen in Syrien denke, die bereits vier Jahre lang wegen des Krieges nicht mehr zur Schule gehen, erscheint mir meine Situation nicht so schlimm. Manche Mädchen werden aufgrund der unsicheren Zukunft sehr früh verheiratet.

„Leith und Anis wollten mich immer erfolgreich sehen.“

Ich möchte auch gerne heiraten, aber noch nicht jetzt. Meine Ausbildung ist mir wichtiger. Mein Vater und meine Brüder unterstützen mich sehr. Leith, mein vier Jahre älterer Bruder, hat mich immer nach meiner Meinung gefragt. Er wurde getötet während eines Bombenanschlages. Er war erst 17 Jahre alt. Anis, auch einer meiner Brüder, wurde von einem Soldaten erschossen. Leith und Anis wollten mich immer erfolgreich sehen. Sie haben mich ermutigt, zu studieren und Apothekerin zu werden. Sie waren nicht nur meine Brüder, sie waren meine Freunde.

Ich hoffe sehr, dass ich in ein paar Jahren wieder nach Syrien zurückkehren kann. Ich möchte in Damaskus Pharmazie studieren.In jeder syrischen Stadt möchte ich eine Apotheke eröffnen. Und ich möchte schreiben. Ich will meine Geschichte, die Geschichte Syriens, mit der Welt teilen. Ich werde über die Zeit vor und während des Krieges berichten. Und irgendwann auch über die Zeit danach. Ich möchte die Geschichten der Menschen, der Familien aus Syrien, erzählen. Besonders zwei Dinge sind mir wichtig: Ich will der Welt zeigen, was in Syrien passiert und ich will die Kinder ermutigen, gemeinsam eine neue Zukunft aufzubauen.

Gemeinsam ist man am stärksten

Als Mädchen in Syrien entdeckt man spätestens während des Krieges, dass man genauso stark ist wie die Jungs. Wir haben starke Herzen. Wir syrischen Mädchen werden Teil des Wiederaufbaus unseres Landes sein. Wir haben Waffen und Bomben gesehen und so viel Gewalt miterlebt. Aber wir bleiben stark - wir sind nicht gebrochen worden.

An die Mädchen dieser Welt: Lasst uns das Leben von anderen Mädchen auf dieser Welt betrachten und von ihnen lernen! Leben bedeutet so viel mehr als shoppen, Make-Up oder auf Facebook Neuigkeiten posten. Wir müssen an unsere Zukunft denken, verstehen, dass das Leben nicht immer perfekt und sicher ist. Wir sollten aufmerksam durch die Welt gehen und unsere Hilfe anbieten. Wir müssen realisieren, dass wir unsere Probleme in der Gesellschaft gemeinsam anpacken sollten. So sind wir am stärksten.

Und an die Anführer unserer Welt: Schweigt nicht über die Konflikte in Syrien! Ihr müsst über diesen Krieg sprechen - führt nicht länger eure politischen Machtspielchen auf, sondern stoppt den Krieg endlich. Unsere Mütter und unsere Kinder weinen jeden Tag. Der Krieg muss endlich vorbei sein. Stoppt die Geschoße, die Bomben, stoppt das Blutvergießen.