Nepal: Ein schützendes Dach über dem Kopf

Der Verlust von mehr als nur einem Haus / Tom Newby ist CARE-Experte für Notunterkünfte und war kurz nach dem ersten verheerenden Erdbeben in Nepal.

Bei Erdbeben geht es, vielleicht mehr als bei jeder anderen Art von Katastrophe, um den Verlust von Häusern.  Auf Nepal trifft das stärker zu als für jede andere Katastrophe: die Auswirkungen des Erdbebens sind komplexer und gehen weit über den Verlust eines schützenden Dachs über dem Kopf hinaus. „Während des zweiten großen Bebens, das sich knapp drei Wochen nach dem ersten ereignete, befand ich mich in einem Besprechungsraum im vierten Stock des CARE Büros in Nepal“, so Tom Newby, CARE-Experte für Notunterkünfte. „Das Beben war eine beängstigende und surreale Erfahrung. Was für mich neu war, hatten alle anderen hier schon einmal erlebt – ihre Angst war greifbar.

Die körperlichen Verletzungen und Verluste sind nicht die einzigen Schäden, die ein Erdbeben hinterlässt. Häuser - sonst Orte der Wärme, Sicherheit und Geborgenheit - verwandeln sich in Orte der Gefahr und der Zerstörung. Das kann langfristige Folgen haben.

Die Menschen in Nepal haben Angst vor ihren Häusern, vor dem Boden, auf dem sie leben.

Nepals Klima zeichnet sich durch Extremität aus: In den Sommermonaten ist es sehr heiß und feucht, mit sintflutartigen Regenfällen während des Monsuns. Im Winter sinken die Temperaturen dagegen auf unter null Grad. Ohne robuste Häuser sind die Menschen der Witterung schutzlos ausgeliefert. Gerade die Häuser in den von Erdbeben am stärksten betroffenen ländlichen Regionen sind den klimatischen Bedingungen in der Regel nicht gewachsen. Sie sind meist aus Lehm und Stein gebaut, während das Erdgeschoss  Platz für Vieh bietet, dient der erste Stock der Familie als Wohnraum. Lebensmittel werden häufig unter dem Dach gelagert.

Stürzt ein Haus ein, können Menschen auf einen Schlag nicht nur ihr Haus, sondern auch Vieh, Lebensmittelvorräte und sämtlichen Besitz verlieren. Die Folgen des Bebens werden durch die Gefahr verschärft, dass Teile der Bevölkerung dauerhaft von ihren Nahrungs- und Einkommensquellen abgeschnitten werden. Der Bau von sicheren und stabilen Häusern ist demnach sowohl für das physische und psychische Wohlbefinden der Menschen als auch für die Sicherstellung ihrer Lebensgrundlagen essentiell.Die Menschen Nepals müssen das Vertrauen in ihre Häuser wiederfinden, um wieder ein Zuhause zu besitzen“, erklärt der CARE-Mitarbeiter „Es ist die Aufgabe von CARE und anderen Hilfsorganisationen, ihnen dabei zu helfen.“

Nach den ersten Nothilfemaßnahmen, die auf die Unterbringung der Menschen in sicheren Unterkünften und ihre Versorgung mit Nahrung, Wasser und sanitären Einrichtungen abzielen, wird CARE die Betroffenen des Erdbebens darin schulen, stabile und sichere Unterkünfte zu bauen. Sobald sie Vertrauen in die Stabilität ihrer Häuser haben, können sie auch ihr Leben wieder aufbauen.

Katastrophenvorsorge ist für die Menschen Nepals von immenser Bedeutung.

Fragt man die Menschen, was sie am meisten brauchen, antwortet ein Großteil: Das Wissen und Werkzeug zu verhindern, dass die Folgen zukünftiger Beben wieder katastrophale Ausmaße annehmen. Dies ist keine leichte Aufgabe. Zwar existieren Technologien für den Bau erdbebensicherer Gebäude, doch die geographischen Gegebenheiten und der Mangel an Ressourcen machen die Hilfe in Nepal kompliziert. Ohne die nötige Infrastruktur ist der Transport schwerer Materialien wie Zement und Betonstahl zu den entlegenen Bergdörfern extrem schwierig. Des Weiteren ist Entwaldung ein großes Problem, das zu der Anfälligkeit für Überschwemmungen und Erdrutsche beiträgt; Holz muss daher verantwortungsvoll und mit großer Sorgfalt verwendet werden.

Was können wir noch tun? Zum einen kann die Qualität des Mauerwerks verbessert werden, ohne andere Materialien zu verwenden. Dafür müssen die richtigen Steine an die richtigen Stellen gesetzt werden. Nicht verbundene Innen- und Außenwände trugen zu der Anfälligkeit der nepalesischen Häuser bei. Die zusätzliche Stabilität, die durch so eine Verbindung entsteht, kann einen großen Unterschied machen. Ein weiterer Schlüssel zu mehr Robustheit ist Symmetrie und gute Proportionierung der Gebäude. Besonders lange oder sehr hohe Wände ohne stützende Querwände sollten vermieden werden. Sofern verfügbar, kann eine einfache Holzumrandung des Gebäudes oder eine Stahl-Verstärkung der Ecken die Einsturzgefahr verringern.

Beim Wiederaufbau zeigt CARE der nepalesischen Bevölkerung, wie sie stabilere Häuser bauen kann. Gleichzeitig werden die am meisten gefährdeten Menschen mit ausreichend materiellen Ressourcen versorgt. Der CARE-Experte blickt positiv in die Zukunft: „Wir werden weiterhin vor Ort sein, um ganzen Gemeinden beim Wiederaufbau durch materielle sowie umfassende technische Unterstützung zu helfen.“